Gastbeitrag: Bloß keine Menschenmassen – von Overtourism und Auswegen

Overtourism Strand Nizza

Ein Gastbeitrag von Frank Rumpf

Proteste gegen Touristen, überfüllte Strände, lange Schlangen vor den Sehenswürdigkeiten: Man hat in diesem Sommer den Eindruck, Reisen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Sollten wir einfach zu Hause zu bleiben? Oder unser Reiseverhalten anpassen?

Unser Gastautor Frank Rumpf kennt nicht nur die besten Ecken auf Mallorca, sondern hat auch seit Jahrzehnten die Entwicklung des Tourismus dort – und an vielen anderen Orten weltweit – mitverfolgt. Hier sind vier Anregungen des langjährigen Reiseautors, wie uns Reisen weiterhin Spaß macht.

1. Ein Hoch auf die zweite Reihe

Venedig kassiert eine Eintrittsgebühr, Mallorca begrenzt die Bettenzahlen, der heilige Berg Fuji beschränkt den Zugang und Dubrovnik verlangt für einen Parkplatz inzwischen 200 Euro am Tag: Man hat zunehmend das Gefühl, einst willkommene Gäste sind zu einer Belastung geworden. Auf der Lieblingsinsel der Deutschen, Mallorca, könnte der Umschwung kaum krasser sein. Noch in der Pandemiezeit plakatierten die Einwohner „SOS Turismo“ an ihren Häusern und Hotels, weil sie wegen ausbleibender Gäste um ihre Existenzgrundlage fürchteten. Heute, kaum drei Jahre später, ist es ihnen des Guten zu viel.

Statt überlaufene Hotspots zu besuchen, entdecken immer mehr Reisende deshalb Alternativen, die manchmal auch näher liegen: Bayern statt Bali, Bamberg statt Berlin oder auch, wenn es dann doch etwas weiter weg sein soll, Madeira statt Mallorca und Laos statt Thailand.

Wie man Alternativen findet? Man schaut zum Beispiel auf Portalen wie Travel-Dealz, lässt sich von Reisereportagen inspirieren, fragt Freunde und Nachbarn – oder man macht den umgekehrten Instagram-Test. Taucht die Stadt oder die Bucht, die man für den nächsten Urlaub ins Auge fasst, dank sogenannter „Influencer“ ganz oben in den Bilderfeeds auf, macht man besser einen Bogen darum.

Ein klassisches Dilemma ist damit natürlich verbunden. Manche Stadt aus der zweiten Reihe könnte unversehens zum neuen Touristen-Mekka werden, weil dann doch wieder alle genau dorthin wollen. Spaniens „Geheimtipp“ Valencia – bald ein zweites Barcelona?

2. Der Sommer wird überschätzt

Warum nicht antizyklisch reisen, sofern man nicht an die Schulferien gebunden ist? New York im Februar, die Nordsee im November, Thailand in der Regenzeit, wenn kaum jemand kommt – das hat für viele längst seinen Reiz.

Immer mehr Orte verfügen inzwischen ganzjährig über eine gute Anbindung und bieten spannende Veranstaltungen gerade in der Nebensaison. So kann man bekannte Städte und Landschaften aus einer neuen Perspektive erleben und den Massentourismus umgehen. Die Hotels sind auch günstiger.

New York Winter Aussicht
New York hat auch im Winter seinen Reiz – und die Hotels Unterkunft kostet einen Bruchteil

3. Korallen schützen statt Sonnenbaden

Manche Reisende nutzen ihren Urlaub, um an Freiwilligenprojekten teilzunehmen. Ob Korallenriffe in Belize wiederherstellen (Tauchspaß inklusive), ehrenamtlich Englischunterricht in Rumänien geben oder Seeschildkröten in Antalya schützen – solche Projekte an fernen Orten bieten bereichernde Erfahrungen.

Plattformen wie volunteerworld.com liefern dafür jede Menge Anregungen. Es tut gut, Gutes zu tun. Das ist wissenschaftlich bewiesen! Großzügigkeit schüttet Glücksgefühle aus. Und aus dem Alltagstrott kommt man garantiert heraus.

4. Ohne Fleiß kein Preis

„Workation“ ist das neue Zauberwort: Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Ob in Lissabon, auf Bali oder in Chiang Mai – man braucht nur stabiles Internet und einen Schreibtisch, vielleicht nicht einmal den. Wenn man Arbeit und Urlaub kombiniert, kann man länger an einem Ort bleiben und ihn viel intensiver erleben. Die Anreise lohnt sich auch mehr.

Workation
Arbeiten im Urlaub (wenn es die Einreisebestimmungen hergeben)

Fazit

Wenn man nach individuellen und erfüllenden Urlaubserlebnisse an Orten sucht, die nicht auf den oberen Rängen der Beliebtheitsskalen stehen, macht Reisen auch weiterhin viel Spaß. Und das am besten zu Zeiten, an denen nicht alle unterwegs sind.

Zum Abschluss ein Test für die Künstliche Intelligenz. Welchen Ort würde uns ChatGPT, gefüttert mit den vier Vorschlägen, für die nächste Reise empfehlen? Heraus kam: Plowdiw, eine fünftausend Jahre alte Stadt in Bulgarien, und zwar am besten im Frühling oder Herbst. Da waren wir in der Tat noch nie.

Über den Autor

Frank Rumpf schreibt seit vielen Jahren über seine Reisen für Buchverlage und große deutsche Medien. Von ihm stammt zuletzt „Mallorca: Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ (Klartext-Verlag 2022). Haben Sie eine Reiseempfehlung für ihn? Schreiben Sie ihm auf Instagram unter @mallorcaquarterly oder über frank-rumpf.de.

Titelbild: Oscar Nord

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Kommentare (15)

  1. Klaus sagt:

    Interessanter Bericht mit ein paar guten Ideen. Danke dafür. Die Anmerkung von Leser „Martin“ zu Laos/Thailand verstehe ich nicht. Finde Laos tatsächlich eine gute Alternative vom Reiseautoren zum überlaufenen Bangkok oder Chiang Mai.

    • Martin sagt:

      Naja, Bayreuth ist auch eine Alternative zu Bangkok, ebenso wie San Diego.

      Was ich sagen will: Laos ist nicht ansatzweise so bequem wie Thailand, Meer hat es auch keines. Das ist m.E. ein ganz anderer Urlaub. Und Laos ist auch kein Geheimtipp. Laos ist voll von Backpackern, die einem erzählen dass Thailand zu überlaufen ist 🙂

  2. Astrid sagt:

    Mein Tip wäre Fracht – oder Containerschiffs reisen,da hat man kaum andere Touristen und die Mannschaft ist meist international,sie laufen hâufig Häfen an die nicht unbedingt touristisch sind und auf die man als Reiseziel so nicht kommen würde.

    • Martin sagt:

      Klingt spannend und habe tatsächlich kürzlich geschaut, wie man per Frachter nach Australien kommt.

      Hast du konkrete Tipps für Containerschiff-Urlaub?

  3. Martin sagt:

    „Statt überlaufene Hotspots zu besuchen, entdecken immer mehr Reisende deshalb Alternativen, die manchmal auch näher liegen: Bayern statt Bali, Bamberg statt Berlin oder auch, wenn es dann doch etwas weiter weg sein soll, Madeira statt Mallorca und Laos statt Thailand.“

    .. hier war ich dann raus. Ich stimme der These zu, aber Bayern statt Bali? Laos statt Thailand? Bayern statt Bali lasse ich mir noch eingehen wenn man eine tolle Alliteration mitnehmen will. Aber wer Laos als Alternative zu Thailand sieht, war weder im einen noch im anderen Land (ich mag beide).

  4. Robert Windhager sagt:

    Stimme überhaupt nicht mit dem im Artikel Gesagten überein.
    Das einzige, was hilft, ist jene Orte zu meiden, wo sie den Rand überhaupt nicht mehr vollkriegen können und Touristen nach Strich und Faden abzocken, und stattdessen billigere Reiseziele zu wählen.

  5. ssandy sagt:

    @ Frank Rumpf chiang mai hat daurhaft eine dermaßen schlechte und gesundheitsgfährdende luftqualität, das ich mich freiwillig dort inzwischen nicht mehr längere zeit aufhalten würde…

  6. charlie sagt:

    Die „Verurteiler“ gehören auch zur MASSE , selbst wenn sie für „große Deutsche Medien “ schreiben …

  7. Jens.Aus.Hamburg sagt:

    nachdem ich in den 90er jahren das erste mal in indonesien war, im sommer, ergab es sich gleich anfang der 2000er jahre, dass ich immer sechs wochen urlaub von ende oktober bis mitte dezember machte. dies habe ich bis heute beibehalten.

    – indonesien ist auch zu diesem zeitraum eine reise wert, selbst die regenzeit ist etwas schönes. also vom wetter her ist es top.
    reisen von/nach indonesien haben auch immer interessante zwischenstopps/stoppover ergeben, je nach airline, mit der man geflogen ist.

    – israel im gleichen zeitraum, eine mischung aus badeurlaub und manchmal kühlen tagen.
    der erkundung des landes tat es keinen abbruch.
    und zu den hohen feiertagen, da sind nun wirklich viel zu viele menschen unterwegs, da muss ich also auch nicht hinfliegen.

    – seit 2015 (außer coronabedingt 2020/2021) fliege ich nach japan im genannten zeitraum (2022 auch über weihnachten & silvester).
    man hat dort die wetterauswahl schlechthin.
    okinawa im süden mit 30°+ und hokkaido im norden mit -10° und kälter. tokyo auch sehr oft t-shirt-wetter.
    den fuji habe ich auch gesehen, auch ohne hochkrabbeln zu wollen. daher ist die beschränkung für mich auch okay.

    wenn man also nicht an schulferien oder andere familiäre/arbeitstechnische beschränkungen gebunden ist, lohnt es wirklich abseits der ferienzeiten zu urlauben.
    bei städte-/wanderreisen ist der hochsommer eh nicht so prickelnd.

    naja, und sommer hier in hamburg … einfach klasse.

  8. Hasan sagt:

    Wir sollten den Willen der Bevoelkerung respektieren und nicht in Laender Reisen wo sie uns nicht wollen

  9. Stefan sagt:

    MeineTipp:
    Einfach mal eine Landkarte nehmen (oder Google Maps) und nach Alternativen suchen die man nicht kennt. So bin ich z.B. auf die Spanische Nordatlantikküste gestoßen. Wunderschön, günstig und selbst im September wenig Touristen.

    Ansonsten kann anzizyklisch Reisen wie im Artikel beschrieben super sein.
    Island im März, Malediven im September und USA (Nationalpark im Westen) im März waren super schöne Urlaub. Es war leer und es gab günstige Flüge, Mietwägen und Hotels…

  10. Höllenstein sagt:

    So hart das klingt: die covid Pandemie brachte für Reisende in 2020/2021 die Gelegenheit Venedig, Italien, Thailand, die Kanaren ganz ohne Touristen und zu super günstigen Konditionen zu erleben. Heute fahre ich nicht mehr zu Hotspots und schon gar nicht zur Hauptsaison.

    • ssandy sagt:

      höllenstein, in der pandemie konnte man auch nur bedingt reisen und dein thailand beispiel ist ein ganz schlechtes, denn die hatten extrem strenge einreiseauflagen, ich denke da nur an die 16 naechte hotelquarantäne im januar 2021, das war nicht nur teuer sondern auch extrem aufwändig was die papiere anbetraf, und das musste man wollen, sich freiwillig 12 ganze tage in ein hotelzimmer einsperren zu lassen, sich dort noch insgesamt 3 covid tests zu unterziehen, und selbst nach der quarantäne wurde man im land noch „verfolgt“ und kam besuch von kkhs-mitarbeitern…
      und die einreiserestriktionen dort gingen bis mitte 2022…

    • Robert Windhager sagt:

      Du hast Covid Pandemie mit Covid Hysterie verwechselt.
      Wissenschaftliche Studien haben mittlerweile gezeigt, dass fast alle Maßnahmen wie Masken und Lockdowns trotz Riesenaufwand fast gar nichts gebracht haben, und Länder, die wenig bis kaum Maßnahmen setzten, nicht nur besser durch die Hysterie kamen, sondern hatten auch danach nicht eine so hohe Übersterblichkeit wie die anderen.

      Das Einzige, was anscheinend sinnvoll war, waren Impfungen für alte und geschwächte Menschen.

      Ich weiß, ist offtopic, sollte aber trotzdem gesagt werden, damit wir hoffentlich den selben Fehler nicht noch einmal machen.

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