Flug annulliert: Ist Reisebüro oder Airline Ansprechpartner?

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In den vergangen acht Monaten ist es zu einer riesigen Anzahl von Flugannullierungen gekommen. Bis heute hadern Airlines mit ihren Flugplänen, die aufgrund der dynamischen Entwicklung der Nachfrage regelmäßigen Anpassungen unterliegen. Die Folge sind noch immer eine Vielzahl von Annullierungen. Passagiere stellen sich die Frage: Wer ist nun mein Ansprechpartner? Airline oder Online-Reisebüro (OTA)/Reisebüro vor Ort?

Info

Ein Gastbeitrag von Dr. Matthias Böse

Dr. Matthias Böse ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und betreut eine Vielzahl von Vielfliegern. Er berichtet regelmäßig unter rechteindeutig.de über spannende rechtliche Entwicklungen im Verbraucherrecht mit Schwerpunkt Luftverkehr und Reisen, die zumeist aus seinen eigenen Fällen herrühren. Prominentes Beispiel ist das aufsehenerregende Urteil zu unwirksamen AGB der Lufthansa für die Nachberechnung nicht vollständig genutzter Tickets.

Dabei gilt, soweit die Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG anwendbar ist (Im Wesentlichen: EU-Airline oder Abflug aus der EU): Bitte stets an das ausführende Luftfahrtunternehmen wenden.

Airlines verweisen in vielen Fällen auf den Vermittler, da das Ticket „außerhalb der Kontrolle der Airline“ sei. Das ist rechtswidrig. Der Anspruch besteht zwischen Passagier und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen.

  • Es ist irrelevant, wer das Ticket gebucht hat.
  • Es ist irrelevant, auf welchem Ticketstock das Ticket ausgestellt wurde.
  • Es ist irrelevant, wessen Codeshare-Code bei der Flugbuchung zu sehen war:

Schuldner ist das ausführende Luftfahrtunternehmen. Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen (z.B. bei LH Cityline-Verbindungen, bei denen in der Regel Lufthansa in Anspruch genommen werden sollte).

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat einer Reihe von Luftfahrtunternehmen diese Verweisungspraxis bereits untersagt / untersagen lassen. Dennoch passiert genau das bis heute regelmäßig. Warum aber ist das Reisebüro für den Passagier kein vorzugswürdiger Ansprechpartner? Nun, gerade in der Krise zeigten sich einige krasse Schwierigkeiten.

  • Viele Reisebüros sind mit dem Ansturm an Anfragen schlicht überfordert, teils haben Online-Reisebüros sogar die telefonische Erreichbarkeit eingeschränkt oder vollständig eingestellt, da klar war: Mit Anrufern ist kein Geld zu verdienen.
  • Vermittler verlangen teils dreiste Erstattungsgebühren im Falle einer nicht einmal vom Passagier veranlassten Erstattung, deren Rechtmäßigkeit zumindest zweifelhaft ist
  • Vermittler stecken zusätzlich aus dem Grund in der Klemme, als sie nur beschränkte Möglichkeiten haben, Erstattungen durchzusetzen: Während Passagieren das Geld nach Aufforderung von der Airline binnen 7 Tagen zu erstatten ist, gilt eine solche Regelung zwischen Airline und Vermittler nicht. Airlines wie Air France haben ihren Vermittlern frühzeitig die Möglichkeit zur (ansonsten problemlosen) Erstattung deaktiviert und angekündigt, Erstattungen massiv verzögert zu bearbeiten. Vermittler warten teils noch heute auf Erstattungen, die sie ihren verärgerten Kunden weiterleiten wollen.
  • Außerhalb von Erstattungsfällen haben Vermittler auch nur sehr begrenzte Möglichkeiten der kostenfreien Umbuchung. Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Vermittler einen Passagier nach Annullierung auf eine Fremdairline umbucht, was durchaus geschuldet sein kann (LG Düsseldorf: Ersatzflug nach Flugannullierung ist auch mit fremder Fluggesellschaft geschuldet).
  • Wird eine Erstattung beim Vermittler angefragt, kann dieser diese Anfrage an die Airline weiterleiten. Leistet die Airline daraufhin die Erstattung an den Vermittler, ist das Geld dort. Und nun?

All diese Punkte führen zu einem ganz dringenden Rat: Stets Ansprüche bei dem/den ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend machen!

Wenn man dort die Anfrage abwimmelt: Kein Problem. In Erstattungs- aber auch Umbuchungsfällen sollte mit Fristsetzung schriftlich (z.B. per Mail) aufgefordert werden, danach kann eine klageweise Durchsetzung erfolgen. Diese Erstattungsklagen gehen meist recht schnell, da Klagefälle in aller Regel deutlich beschleunigt bearbeitet werden. Die Kosten eines solchen Klageverfahrens trägt bis auf extreme Ausnahmefälle die Airline.

 Zusätzlich kann eine Beschwerde bei einem Verbraucherverband, zum Beispiel der Verbraucherzentrale NRW sinnvoll sein.

Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, indem eine Erstattung vom Vermittler verlangt wurde? Dann ist möglicherweise noch nicht alles verloren. Hier hilft vielleicht noch eine Abtretung des Erstattungsanspruch an eine Dritte Person. Die von allen Beteiligten unterschriebene Abtretungsvereinbarung wird dann mit einer Erstattungsanforderung schnellstmöglich an die Airline versendet. Zahlt diese dennoch an den OTA, kann nach § 407 Abs. 1 BGB eine weitere Zahlung erforderlich sein.

Wo hat der Vermittler noch seine Berechtigung? Dort, wo die EU-Fluggastrechteverordnung keine Rechte gewährt oder möglicherweise eine Klage im Ausland erforderlich wäre (kein Abflug aus Deutschland oder keine deutsche Airline). Dort helfen die über Jahrzehnte eingespielten Prozesse dazu, dass zumeist immerhin ein Teil der Forderung erstattet wird.

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Kommentare (24)

  1. tom sagt:

    Ich habe folgendes Problem ich habe letzten November(fast ein Jahr her) einen Flug bei airchina für mai2020 nach taipeivon frankfurt gebucht via mytrip,welcher wg. Corona ende märz gecancelt wurde mytrip behauptet das geld nicht zurück bekommen zu haben die airline behauptet seit september bei tel. Rückfragen, dass geld mytrip überwiesen zu haben

  2. Björn sagt:

    Im Grunde genommen natürlich Alles richtig aber leider sieht der Fall in der Praxis dann doch oftmals anders aus – sprich: läßt sich durch den Verbraucher nicht beeinflussen. In meinem Fall hat die Fluggesellschaft (Air Malta) den Reisepreis bereits im April (ohne meine Veranlassung) an das Reisebüro (Travelgenio) zurückgezahlt. Dieses verweigert seitdem unter allerlei Vorwänden die Rückerstattung. AMEX ist leider keinerlei Hilfe – im nicht zu sagen ein Totalausfall – und verweigert mit der Begründung ich müßte das selber mit Travelgenio klären einen Chargeback. Das Unternehmen sitzt in Madrid und wenn man sich nicht auf das Wagnis eines europäischen Mahnbescheids einlassen will scheint man dem Reiseportal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.

  3. Peter sagt:

    Mein ursprünglich gebuchter Flug mit Swiss von AMS-ZHR-BKK habe ich über Amex Platinum Reisen gebucht.
    Dieser wurde im Juli von Swiss storniert.
    Der Amex Reiseservice teilte mir mit das ich direkt bei Swiss die Buchung stornieren kann und dann sogar noch 2 x 50€ für Voucher bekomme.
    Dann habe ich bei Swiss direkt Flüge mit dem Guthaben von ARN-ZHR-DXB First und Business gegen eine geringe Zuzahlung gebucht.
    Reservierungsbestätigung kam dann auch von Swiss direkt. Nun wurde ARN-ZHR verlegt und ich habe alles storniert und Rückerstattung beantragt. Stornierungsbestätigung kam auch von Swiss direkt.
    Aber es fühlt sich weder Amex noch Swiss zuständig das Geld zurück zu bezahlen.
    Dr. Böse und gerne auch andere:
    Wer ist denn jetzt in der Haftung für die Rückerstattung.
    Dr. Böse: Kann ich Sie direkt kontaktieren und Sie für mich tätig werden wenn keiner bezahlen will?
    Gruß Peter

    • RA Dr. Matthias Böse sagt:

      Da kein Abflug innerhalb Deutschlands vorliegt, keine Deutsche Airline gewählt wurde, werden ihnen 9/10 Kollegen, darunter auch ich, bei diesem Fall nicht helfen.

  4. Fischkopp sagt:

    Mein Flug wurde im März von Ryanair gecancelt, ich habe sofort das Formular „Rückerstattung“ ausgefüllt. (Screenshot!!!)
    Die Airline meldete sich nicht, ich wartete geduldig. Nach zwei Monaten per Mail Erinnerung an Rückerstattung – mit Fristsetzung und Angabe der Kontoverbindung für Rücküberweisung. Ryanair bot Gutschein an. Wieder Anmahnung Rückerstattung, Airline sendete Button auf den ich nur klicken müsste für Annahme des Gutscheincodes…. Wieder Anmahnung Rückerstattung, mit Androhung Einschaltung Anwalt,
    Fristsetzung eine Woche. Nach zwei Wochen Ankündigung der Geldanweisung zurück auf Kreditkarte. Final hat es fast 5 Monate und diverse Mails gedauert – aber Geld ist eingegangen.
    Ich wünsche allen viel Geduld und Hartnäckigkeit!

  5. Michael Urban sagt:

    Ergänzung: Die Frage die ich mir stelle ist noch folgende:
    Expedia kann die Tickets ja selber ausstellen und ist nicht wie diverse online Reisebüros bzw. online Portale nur „Vermittler“. Ist das rechtlich gleichzusetzen und auch bei Expedia die Airline erster Ansprechpartner? Danke mfG aus Wien

  6. Michael Urban sagt:

    Sg. Herr Dr. Böse! In meinem Fall hat TAP einen Flug nach ORD der erst im Dezember stattfinden sollte annulliert, das über Expedia gebuchte Ticket wurde von Expedia storniert und die haben jetzt über meinen telefonischen Antrag bei TAP einen Rückerstattungsantrag gestellt. Wie lange soll ich warten bis eine Rückerstattung erfolgt? Soll ich zusätzlich bei TAP eine Frist setzen? Danke im Voraus !!

    • RA Dr. Matthias Böse sagt:

      Umgehend TAP auffordern, auf keinen Fall an das RB zu zahlen, sondern nur an Sie persönlich, dazu eine Frist von einer Woche setzen. Danach Klage erheben oder ggf. zunächst einen Rechtsanwalt beauftragen.

  7. W.Z. sagt:

    Habe genau das gleiche Problem wie RB001 (LATAM Frankfurt nach Madrid). Bin daher an Antwort / Rat / Empfehlung ebenfalls dringend interessiert… vielen Dank im voraus.

  8. Achim sagt:

    Wie soll der normale Nutzer sich durchsetzen. Bei mir hat sogar das RightNow-Team aufgegeben. Fall : Lastminute / Air Malta
    Für kleine Summe will kein Anwalt klagen. Lohnt für die nicht.
    Oder kennt ihr jemand ??

    • Dr. Matthias Böse sagt:

      Dass ein Dienstleister, der standardisierte Prozesse betreibt, um Kosten gering zu halten, aufgibt, bedeutet nicht, dass der Fall nicht zu lösen ist.

  9. Jimmy sagt:

    noch einmal der Hinweis hier: Unbedingt ausschliesslich die Airline auffordern innerhalb 7 Tagen zu erstatten.

    Wer parallel beim OTA fordert und die dann erstatten abzüglich deren (illegaler) Gebühren bleibt oft darauf sitzen: denn die Airline wir behaupten „wir haben bezahlt“ und dazu fordern, die Kosten des Verfahrens auf den Kläger abzuwälzen!

    Natürlich sind die 7 Tage nicht eingehalten worden und damit ist bereits klar, dass die Airline vollumfängliche auch die Kosten des Verfahrens tragen muss, trotzdem versuchen die sich raus zu reden…

    • Markus Eugster, Flug-Monster sagt:

      Und wenn ich dann einen Anwalt brauche nach den sieben Tagen? Muss ich diesen bezahlen oder können die Kosten auf die Airline überwälzt werden?

  10. Tobias sagt:

    Interessant, vielen Dank. Ich habe jüngst einen Anwalt damit beauftragt, meine Ansprüche ggü. der TK durchzusetzen.
    Die Türken stellen sich absolut stur und beharren auf ihr Recht, gestützt durch die IATA.

    „[…] Die Richtlinien und Vorgaben der IATA (International Air Transport Association) erlauben uns ausschließlich eine Erstattung auf das Zahlungsmittel, das zur Zahlung von Flugreservierungen genutzt wird (in Buchung #XYZ123 Credit Card ****************).

    Wir gehen davon aus, dass es sich um die Karte des Drittanbieters handelt, über den die Reise gebucht wurde. Reiseanbieter setzen überwiegend eigene Geschäftskreditkarten als Zahlungsmittel ein und rechnen mit den Kunden separat und unabhängig von der Airline ab.

    Gerne möchten wir Sie informieren, das wir den Reiseanbieter kontaktiert haben um die Rückerstattung zu veranlassen. Der Reiseanbieter hat uns bestätigt das die Rückerstattungstransaktion der Ticketnummern […] heute vorgenommen wurde. Die Auszahlung sollte innerhalb 7-14 Werktagen erfolgen.“

    Damit versucht die TK vermutlich die Anwaltskosten zu umgehen. Aber was hat es auf sich mit der Berufung auf die IATA?

  11. Hannody sagt:

    Mein Flug der über ein Online Reisebüro gebucht war, wurde durch Turkish Airlines annulliert.
    Ich habe bereits zweimal mit dem Reisebüro telefoniert. Während des ersten Telefonats, Mitarbeiter sagte mir das Ticket wird erstattet. Eine Woche später hab ich noch mal angerufen, er sagte mir die Erstattung wurde bei Fluggesellschaft angefordert (er sagte mir muss ich noch Geduld haben, es dauert!!!!)
    Also Flug seit 16 Tagen annulliert. Mein letzter Kontakt mit dem Reisebüro war vor 9 Tagen.

    Was soll ich nun machen?

    Hannody

  12. RB001 sagt:

    Was ist mit Airlines in Insolvenz LATAM Frankfurt nach Madrid

    • Rechtsanwalt Dr. Matthias Böse sagt:

      Die Ansprüche bestehen dem Grunde nach. Wer sich mit südamerikanischem Insolvenzrecht auskennt, kann sie sicher auch weiter bearbeiten.

  13. Andi sagt:

    Sehr interessanter Bericht, vielen Dank dafür!

    Gilt die Regel, dass die Airline als ausführendes Luftfahrtunternehmen sich um die Tickets/Erstattung etc. kümmern muss, auch im Falle der derzeit vielfach angebotenen und teils grosszügig gehandhabten Umbuchungsregeln?

    In meinem Fall bietet die Airline aufgrund ihrer Covid-Regeln die Möglichkeit, dass die Tickets innert drei Jahren abgeflogen werden können, das OTA, über welches ich gebucht habe, erlaubt nur 1 Jahr. Natürlich sind 3 Jahre besser als eins, so habe ich mich an die Airline (Iceland) und das OTA gewendet. Die Fluggesellschaft verweist an das OTA, das OTA an die Fluggesellschaft.
    Worauf kann ich mich bei der Fluggesellschaft berufen?

    • Rechtsanwalt Dr. Matthias Böse sagt:

      Das sind teils (!) Kulanzregeln, die nichts mit 261/2004 zu tun haben. Da sind Passagiere weitgehend dann den Airlines ausgeliefert. Klar, auch nach § 313 BGB kann man Änderungen durchsetzen, das ist aber keinesfalls so schwarz/weiß, wie die eindeutigen Rechte der VO 261/2004/EG.

      • Andi sagt:

        Dr. Böse, vielen Dank.
        Ausgeliefert wäre hier relativ. Wie beschrieben, bietet die Airline die besseren Bedingungen. Müsste mir dann nicht das OTA die besseren Bedingungen der Airline gewähren?

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