Ratgeber: Was tun bei Gepäckverspätung oder -verlust?

Gepäck

Man steht am Gepäckband, es ist leer und alle Mitreisenden sind schon längst in Richtung Taxi, Bus oder Bahn unterwegs und man denkt: Sch**** wo ist mein Koffer!?

Deswegen erst einmal ein paar Worte zur Beruhigung: Die Fluggesellschaft haftet! Dass ein Koffer nicht wieder auftaucht, ist auch eher selten. In rund 95% aller Fälle wird der Koffer einige Stunden oder wenige Tage später zu einem ins Hotel oder nach Hause geliefert. Und bevor ihr nun die Unterhose auf links dreht, sei gesagt, dass auch für Ersatzkäufe die Airline aufkommen muss .

Doch was ist jetzt genau zu tun und welche Rechte hat man denn als Passagier überhaupt?

1. Verlust melden

Wenn das Gepäckband stehen bleibt oder keine weiteren Koffer mehr kommen, sollte man sich auf die Suche nach der Gepäckermittlung machen.

Diese befindet sich meistens in der Nähe der Kofferbänder. Entweder ist die Fluggesellschaft mit einem eigenen Büro vertreten oder man muss sich an den Handling Agent (Unternehmen, das die Abfertigung des Gepäcks für die Fluggesellschaft übernimmt) wenden. Meistens weißt das Logo der Airline auf die Zuständigkeit hin. Auf keinen Fall sollte man den Sicherheitsbereich vor der Verlustmeldung verlassen. Zwar lässt sich der Verlust rein rechtlich gesehen bis zu 21 Tagen nachträglich melden. Man muss dann aber als Passagier unter Umständen beweisen, dass man den Koffer nicht z.B. beim Verlassen des Flughafens verloren hat.

Wichtigstes Beweisstück bei der Verlustmeldung ist übrigens der Aufkleber auf der Bordkarte mit der Gepäckregistrierungsnummer. Man sollte also auch darauf achten, die Bordkarte solange bei sich zu behalten, bis man auch sein Gepäck in Empfang nehmen konnte.

Ein Mitarbeiter nimmt dann eine Schadensanzeige in Form eines Property Irregularity Report (kurz: PIR) auf. Eine Kopie sollte man davon unbedingt verlangen und auch aufbewahren. Tipp: Fragt vor Ort unbedingt nach einer lokalen Telefonnummer der Gepäckermittlung. Die allgemeinen Gepäckhotlines der Airline sind meist wenig hilfreich und speisen euch mit Standardphrasen ab.

Achtung

Wurde das Reisegepäck beschädigt und man möchte Schadensersatz einfordern, so reicht der PIR nicht aus. Es sollte zur Vorsicht stets innerhalb von 7 Tagen nach Bekanntwerden der Beschädigung eine eigenhändig unterzeichnete Schadensanzeige an die Airline übermittelt werden.

Mit der File Reference kann man dann bei WorldTracer z.B. hier für Lufthansa-Flüge seinen Fall aufrufen und erhält darüber Updates über den Verbleib des Koffers und kann z.B. eine Lieferadresse angeben/ändern.

WorldTracer
Mit WorldTracer das verlorene Gepäck verfolgen

2. Ersatzkäufe

Hat man nun den Papierkram erledigt, gilt es auch schon, die nächsten Probleme zu bewältigen. Im Normalfall steht man jetzt nämlich ohne Kleidung oder Hygieneartikel da.

Wie bereits erwähnt, haftet im Regelfall die Airline für Ausgaben, die euch auf Grund von verlorenem oder verspätetem Gepäck entstehen. Der Umgang mit diesem Thema ist aber von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft recht unterschiedlich. Und auch die Reiseklasse kann unter Umständen einen Einfluss darauf haben, wie kulant sich die Airline zeigt.

Einige Airlines geben euch schon bei Aufgabe der Verlustmeldung eine Grundausstattung an Hygieneartikeln mit. In manchen dieser „Overnight Kits“ ist sogar Unterwäsche enthalten. Vor allem bei Flügen außerhalb Europas erhält man auch oft Gutscheine oder z.B. eine mit einem gewissen Betrag aufgeladene Prepaid-Kreditkarte, um sich neu mit dem Notwendigsten einzudecken. Falls dieser nicht ausreicht müsst ihr auf eigene Kosten Ersatzkäufe tätigen und diese später der Fluggesellschaft in Rechnung stellen.

Es kann vorkommen, dass einem bei Nachfragen am Flughafen von einem Mitarbeiter ein fester Betrag genannt wird, den man für eine gewisse Zeit an Verspätung ausgeben darf. Bei diesen Beträgen handelt es sich aber nicht selten um reine Fantasie-Zahlen. Feste Sätze wie z.B. 15€ für 24 Stunden sind in der Regel nicht haltbar.

Wer bei Verspätung oder Verlust seines Koffers aber auf die Idee kommt, einen nagelneuen Anzug oder eine Gucci-Tasche zu kaufen, sollte sich lieber zurückhalten. Der Begriff, den man immer wieder liest, heißt „Angemessenheit“. Man sollte die Noteinkäufe auch wirklich auf die nötigsten Gegenstände beschränken, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Was natürlich nicht heißt, dass man sich keinen Anzug kaufen darf. Seid ihr beispielsweise auf Geschäftsreise und könnt bei eurem nächsten Kundentermin einfach nicht in Jeans und Hawaiihemd auftauchen, dann ist auch ein Anzug „angemessen“. Und auch auf H&M oder Primark-Klamotten müsst ihr euch nicht beschränken, Markenartikel sind erlaubt. Nur übertreiben sollte man es nicht.

Verliert die Airline den Koffer übrigens erst auf dem Rückflug und ihr müsst anschließend nur von Flughafen nach Hause fahren, erhaltet ihr keine Entschädigung für eventuelle Anschaffungen. Man geht hier davon ausgegangen, dass ihr alle unbedingt notwendigen Gegenstände in eueren eigenen vier Wänden zur Verfügung stehen habt.

3. Erstattung der Kosten

Bei den Kosten, die euch erstattet werden, ist die Rechtslage ganz klar – eigentlich. Grundsätzlich gilt nämlich, dass euch die Kosten für den Neukauf von der Fluggesellschaft erstattet werden müssen. Und zwar bis zu einer Höhe von umgerechnet ca. 1.340€ = 1.131 Sonderziehungsrechte (Stand 14. Mai 2021). Quelle: Montrealer Übereinkommen Artikel 22 Haftungshöchstbeträge bei Verspätung sowie für Reisegepäck und Güter Absatz 2

Das bezieht sich allerdings auf eine Situation, in der euer Gepäck gar nicht mehr auffindbar ist. Sollte die Airline euch die Koffer nachträglich doch noch zustellen können, bleibt ihr unter Umständen auf einem Teil der bereits ausgelegten Kosten sitzen. Bei manchen Airlines werden dann nämlich nicht alle Anschaffungen zur Gänze bezahlt. So kann es sein, dass neu erworbenen Hygieneartikel zu 100%, Kleider allerdings nur zu 50% ersetzt werden.

Ganz klare Aussagen zu ihrem Vorgehen erhält man hier von den Fluggesellschaften allerdings nicht. Falls ihr also schon Erfahrungen mit verspätetem Gepäck und dem Umgang einer Airline mit der Erstattung der Kosten gemacht habt, würden wir uns über einen kurzen Bericht in den Kommentaren freuen!

In jedem Fall solltet ihr jede Rechnung und jede Quittung aufbewahren, die ihr für eure Ersatzkäufe bekommen habt. Nur mit diesen wird es möglich sein, nachträglich euer Geld, oder zumindest einen Teil davon, zurückzuholen.

Sollte es wirklich zum schlimmst möglichen Szenario kommen und die Airline findet euer Gepäck gar nicht mehr, so steht euch Ersatz bis zur vollen Summe von 1.131 Sondererziehungsrechten zu. Je nach Airline bekommt man einige Tagen oder aber auch Wochen nach dem Gepäckverlust ein Formular zugesandt, auf dem ihr angebt, was genau ihr in eure Koffer gepackt hattet. Die Fluggesellschaft prüft dann, wie viel Schaden euch entstanden ist und ihr solltet innerhalb von 30 Tagen entschädigt werden.

Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Airline lediglich den Zeitwert eures Koffers und dessen Inhalten erstatten muss. Üblicherweise rechnet man mit ca. 20% Wertverlust pro Jahr. Beispiel: Ein Rimowa-Koffer, der einst 500€ gekostet hat, könnte demnach nach 3 Jahren nur noch 200€ Wert sein. Rein theoretisch sind sogar „Nachwirkungen“ entschädigungsfähig, also Beispielsweise Einkommensausfall, weil im Koffer wichtiges Präsentationsequipment beschädigt wurde.

Tipp

Um unnötigen Streits mit den Airlines aus dem Weg zu gehen, macht vor Abreise Beweisfotos von Koffer und Inhalten!

Rechtsgrundlage: Montrealer Übereinkommen

Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, oder kurz Montrealer Übereinkommen, regelt seit 2004, welche Entschädigungen in der Flugbranche fällig werden. Neben den Vergütungen für verspätetes oder verlorenes Gepäck sind dort auch alle anderen Fälle geregelt, in denen Passagiere Ansprüche gegenüber ihren Vertragspartner haben könnten. Wer Interesse an dem gesamten Regelwerk hat, wird auf der Seite des Bundesgerichtshofs fündig.

Von besonderem Interesse für das Thema Gepäckverlust ist der Artikel 17 des Abkommens. Dort ist unter anderem folgendes zu lesen:

Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, […]

Artikel 17 Montrealer Übereinkommen

Damit bildet dieser Teil des Abkommens die rechtliche Grundlage für den Schadensersatz, der euch bei verlorenem Gepäck zusteht.

Bei verspätetem Gepäck ausschlaggebend ist der Artikel 19, Verspätung:

Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht.

Artikel 19, Verspätung Montrealer Übereinkommen

Auch hier ist also eindeutig geregelt, dass man bei Verspätung seines Koffers Ansprüche geltend machen kann.

Wichtig zu wissen ist, dass dieses Übereinkommen von den meisten Reiseländern, darunter zum Beispiel die EU-Staaten, USA, China, Australien und Japan unterzeichnet wurde und dort somit auch gültig ist. Es gibt aber auch Ausnahmen: Beispielsweise hat Thailand das Übereinkommen nicht ratifiziert. Im Übrigen ist das Abkommen für alle europäischen Fluglinien verbindlich, egal auf welcher Route sie unterwegs sind.

Gut ist, dass bei Beschädigung von Aufgabegepäck grundsätzlich die Airline die Beweislast trägt. Sie muss euch im Zweifelsfall nachweisen können, dass euer Gepäck schon vor der Abgabe am Gepäckcounter beschädigt wurde. Auch gibt es keine „höhere Gewalt“ – die Airline haftet immer, ungeachtet dessen wer genau (z. B. Flughafen, Handlingdienstleister) oder warum das Gepäck beschädigt wurde.

Gepäckverlust bei Pauschalreisen

Grundsätzlich habt ihr auch als Reisende auf einer Pauschalreise genau die selben Rechte, wie als „normale“ Passagiere auf einem Flug. Es gibt allerdings zwei Unterschiede:

  1. Euer Vertragspartner: Wenn ihr eure Reise, wie meistens üblich, über einen Reiseveranstalter gebucht habt, so ist dieser euer erster Ansprechpartner, wenn euer Gepäck verloren geht. Der Veranstalter holt sich im Nachgang die Auslange vermutlich von der Airline zurück, ihr müsst euch aber damit nicht beschäftigen.
  2. Zusätzliche Entschädigung: Neben den Auslagen für Ersatzkäufe oder sogar dem vollen Satz für verlorenes Gepäck steht euch als Reisende auf einer Pauschalreise unter Umständen auch noch eine zusätzliche Entschädigung zu. Bis zu 30% für jeden Tag, an dem euch euer Gepäck nicht zur Verfügung steht – weil dadurch der Wert der Reise vermindert wird. Quelle: Verbraucherzentrale NRW e.V.
    Es sollte in jedem Fall unverzüglich eine schriftliche Mängelanzeige an den Reiseveranstalter erfolgen, sobald klar ist, dass euch euer Gepäck nicht zur Verfügung steht. Gibt es nach Rückkehr aus dem Urlaub Schwierigkeiten mit dem Einfordern der Entschädigung beim Veranstalter, wendet ihr euch am besten an eine Verbraucherzentrale oder notfalls an einen Anwalt.

Häufig gestellte Fragen

Ist eine Reisegepäckversicherung sinnvoll?

Die schwammige Antwort: Es kommt drauf an. Im Regelfall ist eine Reisegepäckversicherung überflüssig. Die Airline haftet ohnehin für verlorenes Gepäck und zusätzlich verlangen die meisten Versicherer, dass ihr euren Schaden erst bei der Airline geltend macht. Allerdings eben nur bis zur Höchstgrenze. Wenn ihr wirklich teure Gegenstände im Koffer verstaut, dann kann sich der Abschluss einer zusätzlichen Versicherung lohnen. Zuerst solltet ihr jedoch prüfen, ob ihr nicht schon eine Versicherung habt, beispielsweise durch eine Kreditkarte.

Wie kommt das Gepäck zu mir, wenn es gefunden wird?

Normalerweise wird euch das Gepäck in eure Unterkunft oder nach Hause geliefert. Die Airlines versuchen eigentlich immer, auf diese Art den Schaden zumindest ein wenig zu begrenzen. Verpflichtet sind die Fluggesellschaften dazu allerdings nicht, es handelt sich um eine freiwillige Leistung. Weigert sich die Airline eure Koffer vor die Tür zu liefern, habt ihr aber Anspruch auf den Ersatz der Fahrtkosten, die euch bei einer erneuten Fahrt zum Flughafen entstehen.

Wie lange muss ich warten, bis Gepäck endgültig als verloren gilt?

Bis zu drei Wochen hat die Fluggesellschaft normalerweise Zeit, um euer Gepäck wieder zu finden. Nach 21 Tagen gilt der Koffer dann endgültig als verloren. Allerdings kommt es in der Praxis vor, dass die Airlines schon früher davon ausgehen, dass euer Gepäck nicht mehr auftauchen wird. Deswegen versenden manche auch schon nach wenigen Tage das Formular, auf dem ihr den Inhalt des Koffers oder der Tasche angeben müsst.

Gibt es auch einen Anspruch bei beschädigtem Gepäck?

Ja. Allerdings ist die Lage bei beschädigtem Gepäck nicht ganz so eindeutig, wie bei verspätetem oder verlorenem Gepäck. Welche Schäden waren zuvor schon am Koffer? War die Tasche denn auch wirklich nicht zum Bersten voll? Alles Fragen, die schwer zu klären sind, wenn das Gepäck kaputt und der Inhalt auf dem Gepäckband verteilt ist. Beweiskräftig wären hier wahrscheinlich nur Bilder vom Koffern, die ihr macht, kurz bevor ihr ihn aufgebt. Und generell gilt: für kleine Beschädigungen wie Kratzer und Beulen kommt die Airline ohnehin nicht auf.

Wie kann ich Schaden schon im Vorfeld vermeiden?

Am besten ist es natürlich, wenn euer Gepäck gar nicht erst verloren geht. Und die Wahrscheinlichkeit dafür kann man als Reisender aktiv beeinflussen. Theoretisch zumindest. So liegt die Chance, bei einem Direktflug ohne sein Gepäck am Ziel anzukommen schon fast bei null. Eine Reise, bei der ihr dreimal umsteigen müsst und das vielleicht auch noch an den großen Drehkreuzen der Welt lässt das Risiko natürlich nach oben schnellen.
Wenn man sich nicht aussuchen kann, ob man nonstop fliegen möchte oder nicht, kann man zumindest beim Packen den Schaden schon minimieren. Idealerweise landen erst gar keine unersetzlichen Dinge im Koffer, sondern nur solche, die ihr im Notfall wirklich mit der maximalen Entschädigungssumme neu kaufen könnt. Und wenn ihr im Handgepäck Platz habt, schadet es sicherlich nicht, ein paar Kleidungsstücke, frische Unterwäsche und Hygieneartikel bei sich zu tragen.

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