Jeder Fahrgast, der regelmäßig mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, dass etwas schiefgehen kann. Das ist nicht allein Schuld der DB, sondern auch auf die marode Infrastruktur, Personen im Gleis usw. zurückzuführen. Aber Fakt ist: Eine Bahnfahrt – gerade mit Umstieg – ist immer ein gewisses Glücksspiel.
Leider ist die Website der DB auch nicht sehr auskunftsfreudig, was Verspätungen in der Vergangenheit angeht. Daher haben wir euch vor einiger Zeit bereits zwei Tools vorgestellt, die die Verspätungen auch im Nachhinein anzeigen. So kann man bei Interesse selbst nachschlagen, wie pünktlich ein Zug in den letzten Wochen das Ziel erreicht hat.
Kürzlich wurden wir auf eine weitere, interessante Website für Bahn-Reisende aufmerksam. Auf der Website bahnvorhersage.de dreht sich alles um Umsteigeverbindungen. Denn die bergen bekanntlich das größte Risiko, dass etwas schiefgeht. So können 5 Minuten Verspätung dafür sorgen, dass man das Ziel zwei Stunden später erreicht als geplant.
Das Tool ist aktuell komplett kostenlos nutzbar und wurde unter anderem vom deutschen Bildungsministerium gefördert.
Funktionsweise von Bahnvorhersage.de
Die grundlegende Funktionsweise von Bahnvorhersage.de ist schnell erklärt. Man gibt zunächst genau wie auf bahn.de eine Wunschverbindung ein und klickt dann auf Suchen
:

Im nächsten Schritt wird dann eine Übersicht der möglichen Verbindungen angezeigt. Diese sollten genau mit denen auf Bahn.de übereinstimmen, nur werden sie um ein paar zusätzliche Informationen erweitert. Sobald man sich eine Verbindung ausgesucht hat, sieht es wie folgt aus:

Am wichtigsten ist hierbei der Verbindungs-Score. Der gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass der geplante Anschlusszug erreicht wird. Dabei geht das Tool davon aus, dass ein Anschluss erreichbar ist, wenn mindestens 2 Minuten zwischen Ankunft des Zuges und Abfahrt des Anschlusszuges bleiben. Das kann je nach Bahnhof und Gegebenheiten etwas sportlich sein, sollte aber im Beispiel oben (Gleis 12 auf 14 in Hamburg) gerade so reichen.
Zudem werden folgende Informationen angezeigt:
- Mindest-Umsteigezeit: Die Mindest-Umsteigezeit, die von der Bahn.de herangezogen ist. Wie bei Mouseover erläutert, ist diese Zeit oft sehr großzügig gehalten und hat vielfach bereits etwas Verspätungs-Puffer eingeplant
- Diagramm für Verspätung -2 bis 10 Minuten: Links neben dem Bahnhof findet ihr ein kleines Diagramm, das die typische An- und Abfahrtszeit der letzten 6 Wochen symbolisiert. Es deckt aber nur alles von 2min zu früh bis 10 min zu spät ab, nichts was darüber hinausgeht.
- Gefärbte Balken: Die Farbe des Balkens symbolisiert ebenfalls die Verspätung am An- und Abfahrtsort. Je höher die durchschnittliche Verspätung, desto gelber / roter der Balken
Alle Verspätungsdaten inklusive des Verspätungs-Scores beziehen sich auf den Zeitraum der letzten 6 Wochen. Im obigen Beispiel gab es zuletzt ungeplante Bauarbeiten zwischen Schwerin und Hamburg, sodass der Score ungewohnt schlecht ausfällt. In den nächsten Monaten dürfte es wieder besser werden.
Das komplette Tool ist open-source und der Quellcode öffentlich einsehbar. Ein paar Erklärungen zur Funktionshinweise gibt es hier als PDF. An dieser Stelle ein Dank an Theo Döllmann und Marius De Kuthy Meurers aus Tübingen, die das Projekt pflegen und kostenfrei zur Verfügung stellen.
Fazit
Einige Airlines stellen direkt auf der Website historische Verspätungsdaten zur Verfügung, bei der Bahn ist das leider nicht üblich. Drittanbieter-Tools wie Bahnvorhersage können die Bahn zwar nicht pünktlicher machen, aber zumindest bei der Buchung helfen. Wenn beispielsweise mehrere ähnliche Verbindungen zur Auswahl stehen, könnte der Verbindungs-Score bei der Entscheidung helfen.
Titelbild: Peer Linder
Kommentare (5)
Da haben wir also das nächste Beispiel für den deutschen Glauben an Technologie als Problemlöser. Ein Entwickler schafft ein Tool, das den wackeligen Betrieb der Deutschen Bahn etwas erträglicher macht. Unbestritten, es ist ein echtes Meisterwerk – aber wenn man darüber nachdenkt, wird einem klar, dass wir uns in einem Land befinden, in dem solche Erfindungen fast schon notwendig sind. Der wahre Skandal ist doch, dass eine staatlich kontrollierte Infrastruktur offenbar nicht in der Lage ist, verlässlich zu arbeiten. Und während bei uns ein Bahntrip zum Glücksspiel wird, können wir uns in Ländern wie Japan oder der Schweiz ansehen, wie Bahnverkehr auch funktionieren kann. In Japan fährt der Shinkansen auf die Sekunde pünktlich, und in der Schweiz sind die Züge so gut aufeinander abgestimmt, dass niemand jemals in eine „Gleichzeitig-jetzt-wird-es-eng-und-ich-verpasse-meinen-Anschluss-Situation“ kommt. Das ist nicht nur eine Frage von Technik, sondern von Management – und da lässt die Deutsche Bahn massiv Federn.
Sie haben Recht. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Shinkansen ein eigenes Schienennetz haben und keine Regional und Güterzüge vor sich.
Absolut, ein Vorteil, den ich mehrmals selbst erleben durfte. Das ist natürlich das Optimum – und in Europa? Nun ja, hier nutzen die renommierten Schnellzüge ihre Strecken z.T. gemeinsam mit den gemächlichen Kollegen aus dem Regionalverkehr und dem Schwerlastverkehr. Trotzdem schaffen diese Züge, bei all den Umständen, noch eine Pünktlichkeit von 85-90%. Ein klares Zeichen für das Management der dortigen Bahngesellschaften (Stichwort: SBB). Man kann also annehmen, sie wissen, wie man Züge pünktlich macht. Im Gegensatz zu unserem fragwürdigen Management, bei dem man sich oft fragt, wie es überhaupt funktioniert.
Für ein bisschen Background zum Tool und dem Gesicht dahinter, schaut gerne folgenden Talk vom diesjährigen Chaos Communication Congress (https://media.ccc.de/v/38c3-wann-klappt-der-anschluss-wann-nicht-und-wie-sagt-man-chaos-vorher)
Dann könnte auf dieser Basis auch eine korrekte Reisenden Pünktlichkeitsstatistik erstellt werden, die realistisch ist und nicht durch ausgefallenen Züge oder Nachtlangläufer aufgehübscht wird.